Ein Foto vom Buch: All Systems Red

BOOK_REVIEW: Martha Wells – All Systems Red

All System Red ist der erste Teil einer Reihe (Murderbot) auf die ich nur dadurch gestoßen bin, dass ein anderer Mensch den neuesten Teil gekauft hat. Bis dato hatte ich noch nie vom Muderbot gehört und so weit ich das nach dem ersten Buch sagen kann: man, wäre das ein Verlust gewesen!

Kurz zusammengefasst um was es geht: die Menschheit hat sich inzwischen so weit entwickelt, dass extrem fortschrittliche KI, augmentierte Menschen und die Besiedlung fremder Planeten zum Alltag gehören. Auch die Erforschung weit entfernter Welten via Wurmlochreise ist inzwischen möglich. Und hier kommen die Murderbots ins Spiel. Denn fremde Planeten können für diejenigen, die sie erforschen, jede Menge gefährliche Überraschungen bereithalten. Die Murderbots sorgen neben anderen Annehmlichkeiten, die ein voll vernetzter Robot so bereithält, dafür, dass die Menschen den neuen Planeten auch wieder in einem Stück verlassen können.

Das klingt erstmal nicht besonders einfallsreich und komplex. Doch Autorin Martha Wells schafft es in All Systems Red quasi im Vorbeigehen so neugierig auf das Universum der Murderbot-Reihe zu machen, dass der zweite Teil gedanklich schon in meinem Einkaufswagen liegt. So gibt es verschiedene Planetenföderationen mit eigenen Normen und Gesetzen, die schon wegen ihrer Unterschiede ein gutes Fundament für weitere Erzählungen bieten. Aber auch gesellschaftliche bzw. wirtschaftliche Konstrukte wie die Companies, bei denen die unterschiedlichsten Fraktionen Equipment für Expeditionen zu fremden Planeten mieten können (zu denen nämlich auch die Murderbots gehören) und die sich auch im Spannungsfeld aus Politik, Wirtschaft und eigenen Kund:innen bewegen, sind etwas, das jede Menge Stoff für neue Geschichten bietet:


„Their group was called PreservationAux and it had bought an option on this planet’s resources, and the survey trip was to see if it was worth bidding on a full share. Knowing about things on the planet that might eat them while they’re trying to do whatever it is they’re doing was kind of important. I don’t care much about who my clients are or what they’re trying to accomplish. I knew this group was from a freehold planet but I hadn’t borthered to look up the specifics. Freehold meant it had been terraformed and colonized but wasn’t affliated with any corporate confederations.“


Das alles erwähnt Wells aber nur am Rande. Dass Menschen durch Wurmlöcher reisen können, ist nicht viel mehr als ein einzelner Satz. Und liebe Leute, ist das ein Wohltat! Hier wird nicht Kapitel und Kapitel rumgelabert, sondern hier wird eine Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die davon handelt, wie sich ein selbstständig von Roboterregularien befreiter Bot in das Leben von Menschen einfügt und wie er sich dabei fühlt.

Ja, richtig gelesen: fühlen. Denn wir bekommen sehr intime Einblicke in das Innenleben unseres Murderbots, weil Wells es aus seiner (Ich-)Perspektive geschrieben hat. Und wer nach den knapp 150 Seiten immer noch nicht zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen kann, dass Maschinen fühlen können – zumindest unser Murderbot hier -, sollte sich statt Romane ein Lexikon als zukünftige Unterhaltungslektüre kaufen, um was passendes für sein emotionales Empfindungslevel zur Hand zu haben. Wenn unser Murderbot sich am liebsten permanent in seiner Rüstung vor den Menschen verbergen und zur Entspannung oder Flucht aus unangenehmen Situationen auf interne Systeme umschalten will, um ein paar TV-Serien anzuschauen, hat das wirklich was menschliches. Und ja, der Murderbot hat sogar so etwas wie einen eigenen, trockenen Humor. Neben der gewählten Erzählperspektive sorgt all das dafür, dass wir uns als Leser:innen gut mit der … nunja, Maschine, identifizieren können.


„It was stressful. I could feel the entertainment feed out there, the same one I could access from the unit processing zone, and it was hard not to sink into it.“


Wer jetzt Sorge hat, das Buch könnte kitschig sein und Roboter vermenschlichen, sei hiermit beruhigt. Auch wenn sich im Murderbot hier und da so etwas wie ein Gefühl bemerkbar macht, ist es erstaunlich wie neutral und sachlich Wells eine komplette Geschichte aus einer Perspektive erzählen kann, ohne zu langweiligen. Nie hatte ich einen Immersionsbruch beim Lesen. Immer war ich voll drin, im Murderbot. Was er sagt, denkt und tut, ist durchweg nachvollziehbar. Das ist etwas, dass ich gar nicht hoch genug loben kann – und leider etwas, an dem viele andere Autor:innen scheitern.

Ebenfalls sehr lobenswert und leider auch sehr selten, ist die hohe Produktionsqualität des Buches selbst. Ich beziehe mich hier auf die gebundene, englische Ausgabe von Tor Books (ISBN 9781250214713). Allein der leicht angeraute und in exzellenter Druckqualität hergestellte Schutzumschlag, verdient eine Erwähnung. Aber auch darunter gibt es etwas zu bestaunen. Denn dort leuchten uns auf dem Buchrücken, passend zum Titel in der Frabe metalic-rot, der Name der Autorin und der Buchtitel entgegen. Und auf dem Deckel gibt es eine leicht eingestanzte, relativ detaillierte Rakete, die bei manchen Lichtverhältnissen direkt ins Auge springt, bei anderen kaum sichtbar ist. Vor allem für den Preis von 15-20€ eine echt tolle Sache!

FAZIT
Wer Lust auf eine nachvollziehbares SciFi-Geschichte ohne Blabla und aus einer neuen Perspektive hat, findet mit All System Red quasi das perfekte Buch. Die Geschichte ist durchaus spannend und hat auch einen kleinen Twist. Die wahre Stärke liegt aber im schnörkellosen Charakter des Murderbots und darin, dass wir Leser:innen uns mühelos in ihn hineinversetzen können und irgendwie auch lieben lernen.

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