Robin Sloan war mir kein Begriff. Beim Durchblättern der Neuerscheinungen für das Frühjahr 2025 bin ich dann auf Die letzte Geschichte der Welt gestoßen. Eine Mischung aus Fantasy und Sci-Fi? Ein Must-Have! Denn obwohl diese beiden wunderbaren Genre der Phantastik einiges gemeinsam haben, gibt es selten Werke, die beides miteinander verbinden. Ich war allerdings ein bisschen verzagt, weil die Veröffentlichung der deutschen Version zu diesem Zeitpunkt noch einige Monate in der Zukunft lag. Also besorgte ich mich Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra vom gleichen Autor. Denn wer sich eine Heldenreise mit Drachen, Schwerten, Raumschiffen und Robotern ausdenkt, der hat doch sicher noch mehr Pfeile im Köcher? Es stellte sich heraus: er hat! Denn Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra ist eine unterhaltsame, mysteriöse Rätselreise, die keine Scheu davor hat die Grenzen der Realität leicht zu verwischen.
Und wie ich durch Die letzte Geschichte der Welt feststellen musste, ist genau das die Stärke von Sloan. Denn auch hier werden Grenzen verwischt und verschoben. Neben der offensichtlichen Grenzüberschreitung zwischen Fantasy und Sci-Fi, schert sich Sloan zum Beispiel nicht darum, was seine Leser:innen denken. Hier wird kein ausgetretener Pfad benutzt, sondern der Weg verlassen. Er erzählt seine Geschichte und ignoriert dabei wohltuend alle Schubladen aus der Hölle der Vertriebstauglichkeit. Hier sitzt kein Autor an den Tasten, der eine Zielgruppe bediedenen will oder gar den Massengeschmack. Nein, hier sitzt ein Autor, der eine fantastische Geschichte erzählen möchte und bei dem jedem Kapitel anzumerken ist, wie die Ideen aus ihm herausgesprudelt sind. Und ja, das mag ungewohnt und hin und wieder herausfordernd sein (wer oder was sind jetzt diese Drachen?), aber es ist großartig. Denn seichte Literatur, insbesondere im Fantasy-Bereich, die nicht mehr als eine Ebene kennt und von gewissen Preisträgern kürzlich als „Drachenscheiße“ bezeichnet wurde, gibt es gerade in den letzten Jahren nun wahrlich genug. Trotzdem ist das hier ist kein Roman, der für’s Feuilleton taugt oder den sich besagter Preisträger ins Regal stellen würde. Aber er ist eben auch mehr, als die Drachenausscheidungen, die in den letzten Jahren den Markt fluten. Die letzte Geschichte der Welt sticht ja schon allein dadurch aus dieser Masser heraus, weil auf den über 450 Seiten keine Liebesgeschichte Platz hat. Und dadurch, dass sie keinen Farbschnitt hat – aber das ist ein Thema für einen eigenen Beitrag …
Wer komplexe Charaktere, mit einer großen Entwicklung über die Geschichte hinweg braucht, um mit einem Buch Spaß zu haben, wird hier eher nicht auf seine Kosten kommen. Die Charaktere sind zwar ausgefallen bis skurril, aber nicht vielschichtig. Doch alle haben ihren Platz in der Geschichte und treiben sie auf die ein oder andere Art voran. Und da ich ein großer Freund von story-driven-Romanen bin und sich für mich persönlich viele Autor:innen viel zu oft in langweiligen Charakterbeschreibungen verlieren, trifft Sloan mit diesem Buch meinen Geschmack ziemlich gut.
Fazit: Es ist ein irgendwie verträumtes Buch, mit einer innovativen Erzählperspektive, bei der sich der Ich-Erzähler als Mini-Subjekt im Körper des Hauptcharakters befindet. Es hat ein tolles und unverbrauchtes Setting und eine interessante und mehrschichten Geschichte, von der bestimmte Aspekte auch als Metapher für andere Dinge (z.B. KI oder Computer-Spiele) verstanden werden können – und so auch Interpretationsspiel lassen ohne je beliebig zu werden. Die letzte Geschichte der Welt fühlt sich einfach wohltuend frisch an. Bitte mehr davon!

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