Erinnert ihr euch noch an euer erstes Computer- oder Videospiel? Ich würde gerne sagen, dass mein liebstes Hobby mit Super Mario und F-Zero begann und das wäre nicht mal gelogen. Meine Mutter hatte meinen beiden Geschwistern und mir damals ein SNES geschenkt. Wir sind auf Yoshi geritten und zu Elektrosounds über futuristische Rennstrecken gedüst. Das rosa Schwebeauto ließ sich dabei am besten steuern, war aber langsam. Beim goldenen war es genau umgekehrt. Die anderen beiden lagen irgendwo dazwischen. Kein analysieren von Daten, keine YouTube-Tutorials, keine Online-Bestenliste. Es war einfach, es war Kindheit und es war toll.
Gerade diese Unbekümmertheit lässt Sachen aber auch verschwimmen, insbesondere das Gefühl für Zeit. Ich weiß nicht mehr, wann ich zum ersten mal einen GameBoy in die Hand nahm, sondern nur noch, dass ich über das erste Level dieses gefälschten „Kevin allein wo-auch-immer“-Spiels, das mir mein Vater vermutlich von irgendeinem Flohmarkt mitbrachte, nicht hinauskam, weil mich ständig irgendwelche Staubsauger fraßen. Ich weiß nicht mehr, wann ich zum ersten mal ein Modul in besagtes SNES schob und auch nicht wann ich es zum ersten mal ausgeblasen habe, weil Staub oder Schmutz für Lesefehler sorgten. Ich weiß nicht, wann wir den (ja, ich sage den) Nintendo 64 geschenkt bekommen haben und wohin er nach einigen Jahren verschwunden ist. Wenn du es warst, Bruderherz: passt schon! Ich weiß so vieles nicht mehr und deshalb auch nicht, ob meine Besuche in den bunten Welten Nintendos wirklich meine ersten Schritte in das Hobby waren, das mich bis heute begleitet.
In der Grundschule hatte ich nämlich einen Freund, der nicht mein bester war, sondern eher eine Art Zweckgemeinschaft, der in einer Welt lebte, die ich nicht kannte. Seine Familie hatte Geld. Und neben vielen anderen Dingen, die ich höchstens aus der Werbung kannte, hatte er noch etwas zuhause: einen PC. Nicht im Kinderzimmer, aber im Keller. Nach der Schule und dem Mittagessen ging es schnurrstracks nach unten, PC an und los. Ich habe den Keller öfter gesehen als sein Zimmer. Und auch wenn ich jedesmal nur zuschauen durfte und mein Zweckfreund nicht daran dachte auch mich mal spielen zu lassen, war ich vom Geschehen auf dem Bildschirm genauso fasziniert wie er. Vielleicht sogar mehr. Das Spiel, das wir tagein tagaus spielten, war DOOM.
Okay, nicht nur DOOM. Es gab auch Tage wo uns (oder besser ihn) Asteroids, Commander Keen und ein komisches Frosch-Jump’n’Run von Kellogg’s mehr interessierten. Aber DOOM war das, was wir am meisten spielten. Und auch wenn es vielleicht nicht das erste Spiel war, was meine jungfräulichen Augen je auf einer Mattscheibe zu sehen bekamen, war es auf jeden Fall ein Spiel, das mich geprägt hat. Sicher nicht das, was man sich als Erziehungsberechtigter für sein achtjähriges Kind vorstellt. Spoiler: es hat mir nicht geschadet.
Aber inzwischen bin ich erwachsen geworden und Blickwinkel verändern sich, denn natürlich sieht ein Kind die Welt anders als ein Erwachsener und das ist auch gut so. Kinder sollen sich keine Gedanken darüber machen müssen, ob ihnen etwas schadet oder nicht. Das ist die Aufgabe der Erwachsenen, also unsere Aufgabe. Wir waren so ziemlich die erste Generation, die als Kind mit Computer- und Videospielen groß geworden ist. Und auch wenn nicht jeder der damals spielte dem Hobby treu geblieben ist, gehören Spiele heute zum Alltag. Egal ob ihre Eltern je gespielt haben oder nicht, Kinder kommen heute früher oder später fast zwangsläufig mit Computer- und Videospielen in Berührung. Neben unendlich vielen anderen Dingen, gehört nun also auch der Umgang damit zur Erziehung.
Viele von uns werden nun Eltern oder sind es längst. So auch ich. Wenn mein Sohn auf Welt kommt, möchte ich, dass auch für ihn rückblickend die Zeit verschwimmt. Er und alle anderen Kinder sollen in virtuellen Welten versinken. Sie sollen sich um den Controller streiten und später auf die Schulter klopfen, wenn sie den Boss-Fight geschafft haben. Sie sollen um weitere fünf Minuten betteln, wenn wir ihnen sagen, dass es genug ist für heute. Sie sollen sich als Erwachsene an ihren liebsten Nintendo-Charakter erinnern. Sie sollen geprägt werden von spannenden, lustigen und verrückten Geschichten.
Ihnen das zu ermöglichen, ist unsere Aufgabe. Wir sind nun diejenigen, die Konsolen unter den Weihnachtsbaum legen. Wir sind diejenigen, die ihnen Spiele zum Geburtstag schenken. Wir sind diejenigen, die sich bei Mario Party extra dumm anstellen, so dass sie den entscheidenden Stern für den Sieht bekommen. Das ist unsere Aufgabe. Was nicht unsere Aufgabe ist: einen Zettel mit Cheat-Codes für DOOM neben die Tastatur im Keller zu kleben.